Bericht zum Tag der Rhetorik 2024: „Wie KI unsere Kommunikation verändert“

  • Termin: 16. März 2024
  • Ort: RWTH Aachen
  • Referent: Björn Meißner

Am 16.03.2024 lud die bmk NRW anlässlich des „Tags der Rhetorik“ nach Aachen ein, um sich unter Anleitung des Sprechwissenschaftlers Björn Meißner mit ChatGPT zu beschäftigen. Björn Meißner ist sicher vielen Kolleg:innen als DGSS-Mitglied und langjähriger Schatzmeister des Verbands bekannt. Er lehrt seit 2001 am Institut für Kommunikations- und Sprachwissenschaft der RWTH Aachen und ist zudem seit 1995 als freier Rhetoriktrainer aktiv.

Die Ausgangslage in der Gruppe der Teilnehmenden war vielfältig: Einige hatten bereits Erfahrungen mit ChatGPT und anderen KI-Anwendungen (z.B. Sprachübersetzung, Power Point-Folien-Generator oder Bildbearbeitung) gemacht – teils gute, teils weniger gute bis gar frustrierende – andere hatten bislang Abstand gehalten oder sogar erhebliche Vorbehalte gegen KI, ChatGPT und vergleichbare Technik, waren nun aber bereit, sich einzulassen.

Da war es ungemein hilfreich, dass der Referent alle abholte und erst einmal multimedial und anschaulich erläuterte, was KI ist und was speziell so genannte Large Language Models wie der KI-Chatbot ChatGPT überhaupt tun: Auf der Basis von gewaltigen eingespeisten Textmengen wurden Beziehungen zwischen Tokens systematisiert und Wahrscheinlichkeiten berechnet, um Kommunikation nachzubilden bzw. zu modellieren. Wir erfuhren, dass ein KI-generierter Text ein „Zufallsprodukt aus Wahrscheinlichkeiten“ ist. Das System „lügt“ nicht, es kann also auch keine fake news erzeugen, weil es überhaupt keine News erzeugt und anders als eine Suchmaschine auch keine wissensbasierten Informationen ermittelt bzw. ausspuckt. Die Bedeutung des generierten Textes ist für ChatGPT dabei belanglos, die Wortkombinationen sind reine Statistik, weshalb das Ergebnis mit der Realität, wie wir sie verstehen, nichts zu tun haben muss; es kann auch gänzlich unsinnig, sozusagen „frei erfunden“ sein. Jedes Ergebnis ist ein Unikat – und entzieht sich damit per se dem Plagiatsvorwurf. Schon hier gingen den Teilnehmenden erste Lichter auf.

Dann wurde losprobiert, zunächst unter dem Motto „Gute Prompts – schlechte Prompts“: In Kleingruppen gaben wir ChatGPT Arbeitsaufträge, reformulierten und präzisierten hier, verallgemeinerten oder gaben mehr kreativen Spielraum da – und bekamen teils banale, teils oberflächlich befriedigende, teils verblüffend innovative Antworten. In einem zweiten Durchgang nahmen wir uns je Gruppe eine für Kommunikationstrainer:innen spezifische Textgattung vor (Seminarankündigung, Workshop-Konzept, Übungsanleitung u.ä.), formulierten vor Chat-Beginn unseren Erwartungshorizont und arbeiteten von Anfang an situationsspezifische Überlegungen ein. Dabei wurde schnell deutlich, dass ChatGPT als „Dialogpartner“ und Inspirationsquelle hilfreich sein kann (wenn auch nach Ansicht einiger TN vermutlich nicht mehr als es eine Arbeitsgruppe oder ein Dialog mit einem menschlichen Gegenüber vom Fach auch wäre), dass aber ein überdurchschnittliches Ergebnis in der Regel fundierte Fachkenntnis beim Prompting voraussetzt und auch eine Ergebniskontrolle auf jeden Fall erforderlich ist. Daher fiel beispielsweise die Antwort der Gruppe auf die Frage, ob ChatGPT unseren Berufsstand bedrohe, einstimmig negativ aus. Eine TN formulierte es so: „KI macht uns nicht besser, sondern effizienter.“ Denn wenn man vorher das Setting genau reflektiert und die eigene bzw. die dem Bot zugeteilte Rolle definiert hat, kann er zeitsparend Anregungen geben, beim Formulieren assistieren und Textvorschläge generieren.

In einem intensiv-produktiven kollegialen Austausch mit viel Raum für eigenes Erproben, anregend moderiert und mit fachkundigen Anregungen und Hintergrundinformationen des Referenten versehen, konnten alle Teilnehmenden ihre Kenntnisse erweitern sowie Möglichkeiten und Grenzen von ChatGPT erleben und diskutieren.

Vielen Dank an Björn Meißner für die kompetente Durchführung, an den Vorstand für die wunderbare Organisation (inkl. Osterhäschen) und den angenehmen Seminarraum an Josefines Wirkungsstätte und an alle Teilnehmer:innen für diesen inspirierenden Tag in Aachen!

Julia Neumann (Münster)