Bericht zur BMK-Tagung am 24. Juni 2017

Die Stimme im Callcenter – oder auch: Der „geheime Freund“

Lust auf die Branche bekommen und Ansatzpunkte für die Arbeit als Sprecherzieher/in im Callcenter aufzeigen – das waren die erklärten Ziele des Referenten Andreas Leifeld. Im Rahmen der bmk-Fortbildung am 24. Juni 2017 begeisterte er an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf mit  einer Mischung aus einer informativen Vorstellung der Branche (und der Stimmbelastung), witzigen WUPs, passenden Rollenspielen und spannenden Ergebnissen seines Dissertationsprojekts zur Stimmarbeit im Callcenter die Tagungsteilnehmer/innen! Und somit seine beiden erklärten Ziele auch erreichte!

Doch bevor wir zu den ‚hard facts‘ der Stimmbelastung von Callcentermitarbeiter/innen kamen, galt es, einen „geheimen Freund“ aus einem Hut mit Namen (der Tagungsteilnehmer/innen) zu ziehen. Diesem „geheimen Freund“ sollte dann während des Tages etwas Gutes zugedacht werden. Was, war jeder/m selbst überlassen. So begleiteten uns zusätzlich während der Fortbildung die beiden Fragen: Wer ist denn eigentlich mein „geheimer Freund“ und wie kann ich meinem „geheimen Freund“ etwas Gutes tun!

Und dann ging es los! Nach einer intensiven Reflexion über sowie Informationsinput zum Thema Callcenter-Agenten und Stimmbelastung kamen wir zum Herzstück der Fortbildung: Einem Rollenspiel, in dem man als Callcenter-Agent ein Kundengespräch durchführen musste. Da wurde einem schnell die Komplexität der Aufgabe mehr als deutlich! Wie unglaublich viel die Agenten in kurzer Zeit an Datensätzen erfassen, diese vermitteln und gesprächsrhetorisch angemessen überbringen müssen. Und die Geduld, welche die Agenten aufbringen müssen, wenn das Gegenüber Fragen stellt, die nicht zu dem empfohlenen Gesprächsleitfaden und Informationsmaterial passen! So durften wir am eigenen Leib erfahren, wie schwierig es ist, sich gleichzeitig in die Datensätze eines Messersets einzulesen, auf den Kunden freundlich und angemessen einzugehen und einen Verkauf abzuschließen. Oder mit besorgten Bürgern, die ihren Reisepass verlängern möchten und nicht den Gedankengängen der vorliegenden Datensätzen folgen konnten, irgendwann zum Punkt kommen. Und wer hätte es gedacht: Natürlich war auch erkennbar, dass wir als ausgebildete Sprecherzieher/innen gesprächsrhetorisch zumeist professionell wirkten – auch bei vollkommener Ahnungslosigkeit! Und dem Kunden mit viel aktiven Zuhören das sechsteilige Messerset formvollendet verkaufen konnten.

Bei ca. 200 Gesprächen, die für einen Agenten pro Schicht anfallen können, war darüber hinaus auch die Stimmbelastung offensichtlich. Schon Studien, die uns Andreas aus der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft zeigte, oder Untersuchungen im Branchenbild der AOK Rheinland/ Hamburg von 2005-2014 belegen, dass Callcentermitarbeiter/innen signifikant häufiger zu Erkältungs- bzw. Atemwegs- und Stimmerkrankungen neigen als andere Berufsgruppen. Und sogar eher an Atemwegserkrankungen leiden als an Muskel-Skelett-Erkrankungen – und dass bei meist mehr als sechsstündigem Sitzen. Die Krankenkasse empfiehlt deswegen vorbeugende Stimmtrainings und Tipps zum ökonomischen Stimmgebrauch. Leider bisher ohne nennenswerte Umsetzung der Empfehlung – bis zu Andreas Leifelds Studie und Arbeit mit Callcenter-Mitarbeiter/innen.

So kann Andreas Leifeld in seinen Untersuchungen von 172 Callcenteragenten nachweisen, dass die Hälfte von ihnen, die ein Coaching und weitere Betreuung durch eine Erinnerungssoftware erhalten haben, sich signifikant in ihrem Stimmbewusstsein und Stimmbelastung verbesserte. Sie fühlen sich stimmlich insgesamt fitter und werden weniger krank. Allein die Sensibilisierung der Mitarbeiter/innen bezüglich des Bereichs Stimme und Stimmerkrankung kann zu schonendem und bewussteren Umgang mit der Stimme führen. Damit bestätigt und belegt er, was die bisherigen Untersuchungen als Hypothese äußern.
Interessant für die bmk-Mitglieder ist, dass sich bei über 500 000 Callcentermitarbeiter/innen ein großes Feld auftut, in dem man als Sprecherzieher/in in Bezug auf Stimmcoaching tätig werden kann.

Wir hoffen, dass Andreas Leifelds Studie das Bewusstsein und die Notwendigkeit zu Stimmtrainings bei den Geschäftsführungen von Callcentern nachhaltig schärfen wird, so dass die Agenten ihre Stimme kennenlernen und gebrauchen lernen. Und dass die Stimme als „geheimer Freund“ und wichtiges Arbeitsmittel bei Callcentermitarbeiter/innen bald nicht mehr „geheim“ ist, damit den Callcenter-Stimmen viel Gutes getan werden kann!

Elisa Franz